Ein Gemälde eines grünen Stadt im Sommer mit vielen Bäumen

Mein Freund, der Baum

In meiner Heimatstadt Aachen gibt es zu wenig Bäume. Statt mehr Bäume zu pflanzen, werden immer mehr gefällt. Weil… aus Gründen. Experten finden Pilze, kranke Äste, instabile Wurzeln, Bäume, die umzustürzen drohen und eine Gefahr für alle darstellen. Und in solchen Fällen ist die einzige Lösung, den Baum zu entfernen. Zugegeben, ich habe keine Ahnung davon. Ich weiß nur, dass ich mir mehr Bäume in der Stadt wünsche und gefühlt mehr gefällt als gepflanzt wird.

Wer im Hochsommer durch manch spanische Großstadt mit ihren begrünten Straßen flaniert, weiß, wie kühlend Bäume in Städten wirken. Und das nicht nur durch Schatten, sondern auch durch abgegebene Feuchtigkeit. Bäume schlucken Schall und bieten Lebensraum für alle möglichen Lebewesen. Und – das mag die meisten überraschen – Bäume produzieren Sauerstoff. Einfach so. Sie stellen einfach etwas zur Verfügung, was wir zum Leben brauchen. Kurzum: Bäume sind lebensnotwendig. Und ehrlich gesagt, ich möchte in einer Stadt auch leben und nicht nur Auto fahren.

Aber, Bäume haben es auch schwer. Abgase, kein Platz für Wurzeln, Müll, pinkelnde Hunde und Menschen, Schädlinge und natürlich das Klima setzen unseren Bäumen zu. Und eine Stadt ist in jeder Hinsicht ein lebensfeindlicher Ort. Für Menschen, Tiere und Pflanzen (außer für Autos). Außerdem kosten Bäume Geld. Jede Menge Geld. Diese ganze Pflege, das Gießen, das Zurechtschneiden, die Entfernung des Laubs im Herbst. Man kann so einen Baum ja nicht einfach wachsen lassen. Und so werden Hunderttausende Euro im Jahr pro Großstadt für den Erhalt von Bäumen ausgegeben. Oder man macht die Rechnung auf und stellt fest, dass ein Platz aus Pflastersteinen viel billiger (und mit weitaus weniger Aufwand verbunden) ist, als ein Baum. Diese Rechnung kennen wir auch von so manchem Hausbesitzer, dessen Vorgarten aus kaltem (bzw. im Sommer extrem heißem) Stein viel unkomplizierter ist als diese aufwändigen Pflanzen.

Bäume sind toll. Wir sollten viel mehr Bäume und überhaupt Pflanzen haben. In unseren Straßen, in unseren Vor- und Hintergärten, auf Terrassen, auf Dächern und an Hauswänden. Und wir sollten sie pflegen, ihnen die bestmöglichen Bedingungen bieten und uns um sie kümmern. Koste es, was es wolle. Denn sie geben uns so viel zurück.

Liebesbriefe an den Baum

Melbourne hat vor einigen Jahren eine öffentliche Karte erstellt, auf der jeder der 70.000 Bäume der Stadt mit einer eindeutigen ID und einer E-Mail-Adresse verzeichnet ist. Die Idee war, dass die Bürger über diese Adressen melden konnten, wenn sie der Meinung waren, dass ein bestimmter Baum mehr Aufmerksamkeit oder Hilfe benötigte. Doch was dann geschah, überraschte die Stadt. An die E-Mail-Adressen wurden Liebesbriefe geschickt. Liebesbriefe an Bäume. Der wohl beliebteste Baum der Stadt ist eine 80 Jahre alte Ulme an einer viel befahrenen Kreuzung. Rund 10.000 Briefe wurden im Laufe der Zeit an das zuständige Amt geschickt, viele wurden sogar beantwortet. Selbst wenn Kinder Baumwitze schickten, bekamen sie einen anderen Baumwitz zurück. Wie toll ist das denn? Die Melbourner fühlen sich ihren Bäumen wieder ein Stück näher.

Na, Aachen, wäre das nicht auch eine Idee für uns? Eine Karte für die Bürger, um den Bäumen um uns herum eine gewisse Identität zu geben, eine Verbundenheit und damit am Ende vielleicht auch mehr Pflege und Anerkennung.

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