Die Salami, die Chips, die Bananen, das Sonnenblumenkernebrot, die Samt-Marmelade. Alles mit all dem anderen Kram im Wagen verstaut, die Hand im Portemonnaie, die Worte gesprochen: „Ich zahle mit EC.“ Das junge Fräulein an der Kasse des neu eröffneten Kauflands nimmt die Karte entgegen und vollführt all ihre Tätigkeiten um das Geschäft mit einem Bezahlvorgang abzuschließen. Der kleine Drucker spuckt einen Zettel aus, das Fräulein deutet auf den Betrag, blickt nochmals auf meine EC-Karte und sagt lächelnd: „23 Euro 68 macht das, Herr Graf.“ Ich bin überrascht, mit Namen angesprochen zu werden und murmle ein zustimmendes „Mhmh.“ Und noch während ich mein Portemonnaie verstaue fragt mich das Fräulein: „War denn alles in Ordnung?“ Ich sehe mich um und frage „Bitte?“ Sie wiederholt die Frage: „War alles in Ordnung?“ Ich kapiere es nicht. „Alles in Ordnung? Was denn?“ „Nun, ihr Einkauf. War alles in Ordnung damit?“ Ich bin völlig perplex. So eine Frage habe ich nun gar nicht erwartet.
Ich denke nach und möchte dem Fräulein sagen, dass Kaufland noch immer nicht meine Lieblings Chips im Sortiment hat. Ich möchte ihr sagen, dass ich die Strategie, Produkte nach Kategorien und nicht nach Hersteller zu sortieren, nicht mag. (Zur Erklärung: im Kaufland findet man nicht ein Regal mit allen Samt-Marmeladen, sondern ein Regal mit allen verfügbaren Himbeermarmeladen, wo sich dann auch die Samt irgendwo versteckt. Und daneben ein Regal mit allen Erdbeermarmeladen und dann eines mit allen Kirschmarmeladen und so weiter) Ich möchte ihr sagen, dass ich die Gänge zu eng finde und teilweise nirgendwo weiter kam, wenn wohlbeleibte Menschen, Wagenhaufen und plaudernde Grüppchen sich nicht um restliche Kunden scherten. All das möchte ich ihr sagen. Doch stattdessen kommt ein „Ähm, ja, äh klar. Alles in Ordnung.“ aus meinem Mund. Dough.
Warum stellt man mir solche Fragen? Ist das schon wieder so eine Amerikanisierung unserer Supermärkte? Ich denke mit einem Grinsen an Walmart zurück, der eine Zeitlang versucht hatte, amerikanische Verhältnisse in Deutschland zu etablieren. Man postierte einen unendlich glücklichen, unfassbar freundlichen Menschen am Eingang, der jeden Kunden mit einem herzlichen "Guten Tag!" begrüßte und am liebsten jeden einzelnen umarmt hätte. Aber… so funktioniert das in Deutschland nicht. Der deutsche Kunde möchte einfach nur einkaufen und in Ruhe gelassen werden. Der will keine Gespräche mit aufdringlichen Mitarbeitern führen. Der will noch nicht mal "Guten Morgen" sagen (müssen), wenn er mürrisch in Jogginghose zum Supermarkt fahren musste, weil seine Frau vergessen hatte, Milch zu kaufen. Der grinsende Kerl am Eingang verschwand schnell wieder.
Ebenso wie jugendlichen Einpackhelfer, die es kurz bei Marktkauf gab. Schüler standen hinter der Kasse, mit klassisch braunen Tüten bewaffnet, bereit und begannen ohne Nachfrage, die gekauften Waren einzupacken. Egal, ob der Kunde es wollte, oder nicht. Sehr schön waren die Szenen, wenn der Salat, die Eier und die Puddings mit der dünnen Alufolie als Deckel zuerst in die Tüte gelangten, um danach das Gewicht der Konserven und Tetrapacks abzufangen. Auch diese Helfer verschwanden bald.
Ich denke, der deutsche Kunde ist eben ein deutscher Kunde. Wir sind keine Amerikaner, ebenso wenig, wie wir Japaner sind. Und der Supermarkt um die Ecke ist nunmal auch nicht der Tante Emma Laden von früher, wo man sich kannte und noch ein wenig geschnaggt hat, bevor man den Laden verließ. Zuviel Freundlichkeit nervt und zuviel Aufmerksamkeit macht stutzig.
Ebenso stutzig und verdutzt weiß ich also nicht, was ich antworten soll, als das junge Fräulein mir die Frage stellt. Ich nehme mir also vor, das Angebot anzunehmen und das nächste Mal wahrheitsgemäß zu antworten.
Wenige Tage später, gleiche Kasse, anderes Fräulein. Sie fragt wieder, ob denn alles in Ordnung gewesen sei und ich setze ein nachdenkliches Gesicht auf bevor ich antworte: "Nun, wenn sie mich so fragen. Ich vermisse meine Lieblingschips." Nun rechne ich natürlich mit einer Entschuldigung gefolgt vom Abschied, aber das Fräulein nimmt sich einen vorbedruckten Zettel, zückt den Kuli und hakt nach. "Oh, bedauerlich. Welche Sorte Chips ist das denn bitte?" Okay, ich bin wieder verdutzt. "Das sind diese geriffelten von funny frisch. Die mit Chilli." Ihr Blick wird leer. "Wie heißen die?" "funny frisch", antworte ich. Sie beginnt auf dem Zettel zu notieren. PFANNI FRI… "Ähm, nein, funny frisch. Nicht Pfanni. Die machen zwar auch in Kartoffeln, aber die Chips sind von funny frisch", korrigiere ich sie. Wie ich ihr dabei so zugucke, wie sie sich "fannifrisch chips mit cilli" notiert, überlege ich zunächst, es könnte vielleicht an mir liegen, dass mich hier niemand versteht.
Als nächstes aber denke ich, manch Amerikanisierung der Supermärkte ist vielleicht doch gar nicht so schlecht und ist letzten Endes doch nur schlichte Kundenfreundlichkeit. Ich fühle mich zumindest ernst genommen und beachtet und werde noch in dieser Woche kontrollieren, ob man meine Wünsche respektiert hat. Mit einem überaus freundlichen "Tschüß, bis bald." verlasse ich das Geschäft. Und das werde ich so lange tun, bis ich meine Chips im Regal finde.
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