Jeder, der aus der Kirche ausgetreten ist, hatte sein Gründe. Mag sein, dass er vom Glauben abgefallen war, oder seinen Glauben geändert hatte. Mag auch sein, dass er der Institution Kirche einfach keinen Glauben mehr schenkte. Bei den meisten dürfte das Argument „Geld sparen“ maßgeblich gewesen sein. Bisher hatte ich selbst nie daran gedacht, aus der Kirche auszutreten. Ich wurde getauft, später konfirmiert und seit ich denken kann, zieht mir der Staat im Namen der Kirche Geld von meinem Lohn ab. Ich hatte das nie hinterfragt. Es war einfach so. Ähnlich wie beim Solidaritätszuschlag musste ich es hinnehmen und tat das auch.
Bis vor kurzem, als mein Steuerbescheid ins Haus flatterte. Bislang bekam ich immer Geld vom Staat zurück. Zwar jedes Jahr weniger, aber immerhin. Nur diesmal verlangte man von mir eine Nachzahlung. In Höhe von Fünf Euro. Skandal. Als ich den Steuerbescheid endlich verstanden hatte, wurde mir klar, dass diese fünf Euro bei der Kirchensteuer fehlten. Also bei der Steuer, die ich nie angefasst hatte, die mir automatisch abgezogen wurde, über die ich bisher noch nie nachdachte.
Nun dachte ich darüber nach. Und mein erster Gedanke war: So oft habe ich Gott um Hilfe gebeten und nie eine Antwort bekommen. Und für diesen miesen Service soll ich jetzt auch noch nachzahlen? Ich kündige mein Abo. Zugegeben, das war nicht ganz so ernst gemeint. Dennoch blieb mit einem Male die Frage im Raum, weshalb ich Kirchensteuer zahlte.
Weil ich Angst hätte, niemals kirchlich heiraten zu können. Weil ich Angst hätte, nicht begraben werden zu können, wenn ich sterbe. Weil ich Angst hätte, meiner Familie gestehen zu müssen, dass ich ausgetreten war. Weil ich Angst hätte, mir vorwerfen lassen zu müssen, nur aus niederen Gründen (Geld) ausgetreten zu sein. Weil ich Angst hätte, dass die Weltordnung zusammen bräche. Weil ich Angst hätte, in die Hölle zu kommen.
Nun gut, ich recherchierte. Und fand heraus, dass ich sehr wohl kirchlich heiraten könnte (wenn die Braut noch in der Kirche ist und der Pfarrer mitspielt) aber letzten Endes nicht wirklich muss. Dass ich sehr wohl begraben werden kann. Oder zumindest eingeäschert. Dass meine Familie vermutlich nicht so konservativ ist. Dass ich natürlich des Geldes wegen austreten würde (dazu gleich mehr). Dass die Welt auch ohne mich in der Kirche weiter drehen würde (und die Welt ohne Kirchen und Glaubenskriegen vermutlich eine bessere wäre – aber diese Diskussion würde den Rahmen hier sprengen). Und schließlich beschloss ich, dafür nicht in die Hölle zu kommen.
Der Entschluss, aus der Kirche auszutreten, hat letztlich nichts damit zu tun, meinen Glauben zu ändern. Man kann meinen Glauben nicht mit mit Zahlen vor einem Euro Zeichen festmachen und sagen: je kleiner die Zahl, umso weniger glaubst du. Letztlich ist es dem/der/denen da oben doch egal, wie viel wie hier unten ausgeben, um so zu tun, als glaubten wir an sie. Entweder wir glauben, oder eben nicht. Das geht den Staat, der das Geld für die Kirchen einreibt, letztlich gar nichts an. Und für mich persönlich würde der Austritt aus der Kirche auch nichts an meinem Glauben an eine höhere Institution, an Gott oder die Dämlichkeit der Menschen ändern.
Auch das Argument, die Kirche mit meinen eingestellten Zahlungen nicht mehr bei karitativen Hilfen zu unterstützen, zählt kaum, wenn ich den recherchierten Statistiken Glauben schenken darf (ha, an irgendwas muss man glauben, oder?). So las ich mehrmals davon, dass knapp 90% der Steuereinnahmen nur für Verwaltung, Personalkosten und Instandhaltung ausgegeben werden und lediglich 10% für Karitatives und Gutes eingesetzt wird. Das ist verdammt wenig. Und verdammt traurig.
Da beruhige ich mein vielleicht vorhandenes schlechtes Gewissen doch besser einmal im Jahr mit einer Spende an eine Institution, die mir am Herzen liegt und von der ich weiß, dass das Geld auch ankommt. Diese könnte alles beinhalten, von Walschützern, über Hilfe für querschnittsgelähmte Kinder oder Flutopfer, bis hin zu Aufbauhilfe in Afrika.
Letztlich würde ich mir vorstellen, dass Gott dabei ein friedliches Lächeln aufsetzt und sich mit mir freut. Natürlich hätte auch ich dazu beigetragen, dass der örtliche Pfarrer im Winter die Heizung in der Kirche nicht mehr einschalten könnte. Oder keine Programme mehr anbieten könnte, um Straßenkindern zu helfen. Das wäre natürlich traurig. Ich wäre aber zu einer Spende bereit. Zu einer Spende, die direkt an den Pfarrer geht und direkt die Heizung anwirft oder den Raum bezahlt, in dem die Straßenkinder sofort bezahlten Kuchen bekommen. Ohne dass zuvor schon ein Dutzend Hände in meinen Steuerbeutel gelangt haben.
Austreten ist gar nicht so schwer. Und ich bin sicher, dafür NICHT in die Hölle zu kommen. (Oder?)
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