Goodbye Gee

Die Gee war und ist kein Spieleheft. Vielmehr brachte der Hamburger Verlag ein Magazin heraus, das sich mit dem Lifestyle, den Hintergründen und dem Gefühl widmete, mit Spielen aufgewachsen zu sein. In der Gee traten die Spieletests in den Hintergrund und Wertungsnoten wurden verbannt. Dafür punktete das Magazin mit der Auseinandersetzung von Spielen als Kulturgut, stellte sie immer wieder als gleichberechtigte Kunstform dar, setzte sich mit der Politik auseinander und beleuchtete den Markt, die Entwicklung und Bedeutung von Spielen in der Gesellschaft. Wenn man die Gee las, bekam man das Gefühl, kein verspieltes Kind zu sein, sondern sich einer Leidenschaft hinzugeben, die der des Bücher- und Filmfreundes gleichkommt. Die Gee blickte dabei stets nach vorne und hielt dennoch die Fahne der „guten alten“ Zeiten hoch. Frühe Konsolen, C64 und Amiga, die Anfänge der Spieleindustrie, ihre Zukunft. All das wurde mit lockerer Schreibe thematisiert und niemals mit erhobenem Zeigefinger vermittelt. Der Leser merkte dem Magazin an, dass hier Erwachsene über ein Medium schreiben, mit dem sie aufgewachsen waren. Und entsprechend richtete sich der Stil, die Aufmachung, das vermittelte Gefühl nicht an daddelnde Farmville-Kids, sondern an Erwachsene, die sich noch daran erinnern können, zum ersten Mal eine Mark ausgegeben zu haben, um an einem Automaten Pacman zu spielen.

Nun ist es ja leider so, dass jedes neue Medium, jede neue Vertriebsform den Ruf hat, die althergebrachten System zu verdrängen, ja zu töten. Jahrzehnte fürchtete man sich vor dem Tod des Theaters, der Bücher, des Kinos oder der Schallplatte. Doch kein Fernsehen, keine Multimediamaschinen, keine hochauflösenden BluRays waren bislang in der Lage auch nur eines davon zu vernichten. Vielmehr wurde das Spektrum erweitert und die wahren Liebhaber finden zu ihren Wurzeln zurück, hören lieber analoge Musik, schmökern in einem Buch, gehen mit Freunden ins Kino. Die derzeitige zum Tode verurteilte Sau, die durch das Dorf getrieben wird ist Print. Print ist tot liest man allerorten. Digitales ist die Zukunft. Bücher werden zu ebooks, Magazine zu pdfs oder Apps.

Und so hat die Gee nun ebenfalls beschlossen, Print für tot zu erklären. Ausgerechnet das Magazin, das in meinen Augen eine der letzten Bastionen für ein „Gefühl“ war, wendet sich davon ab. Ausgerechnet die Gee, die erst vor kurzem noch ihr Layout aufgefrischt hat. Die ihren Slogan treffend in „Spiele, Kultur, Rausch“ änderte. Ausgerechnet das Magazin, das mir noch als letztes das Gefühl gab, echtes Papier in den Händen zu halten, gut geschriebene Texte zu lesen, überall und jederzeit blättern zu können – kurz, mich zwar erwachsen aber dennoch wohlig „altertümlich“ zu fühlen – ausgerechnet dieses Magazin wird es als Print-Version nicht mehr geben.

Zukünftige Ausgaben erscheinen nur noch als digitale Apps auf dem iPad und Android-Tablets. Und ich, als langjähriger Abonnent, der immer Schwierigkeiten hatte, das Heft aufzutreiben (hier und hier) erfahre es quasi als letzter. Die letzte Print-Ausgabe hat mich nicht einmal mehr erreicht. Und nun? Fühle ich mich betrogen. Hintergangen. Verletzt. Vergleichbar mit dem Gefühl, wenn deine Freundin sich schick macht und du dich darüber freust, nur um dann aus heiterem Himmel den Satz zu hören: „Schatz, ich ziehe übrigens weg, in ein anderes Land. Tut mir Leid, wir wussten doch beide, dass es so kommen würde.“ Und du bleibst zurück, mit nichts als Erinnerungen.

Und dabei bin ich keineswegs ein Technik-Verweigerer. Ganz im Gegenteil. Ich hatte vermutlich schon jedes Gadget in meinem Haushalt und werde auch nie aufhören, mir immer wieder die neuesten Errungenschaften zu kaufen. Auch das iPad steht ganz oben auf meiner Wunschliste. Ich sehe nur derzeit für mich persönlich keinen Mehrwert darin, da es zwischen meinem iPhone und meinem Macbook keinen wirklichen Platz gibt. Aber darum geht es auch nicht. Neue Techniken sollen hier nicht verteufelt werden. Und ich möchte auch den Fortschritt nicht aufhalten. Aber ist es ein Fortschritt, Print sterben zu lassen? Jenseits aller Diskussionen über Kosten/Nutzen, über Ökologie, Verkaufszahlen, Auflagen, Werbekosten – wollen wir WIRKLICH, das Print stirbt? Wollten wir je, das Theater, Schallplatten, Kino, Bücher sterben? Haben wir lieber ein Tablet in der Hand als ein gedrucktes Heft? Und ja, auch ich weiß, dass Print nicht stirbt, nur weil ein Magazin sich vom Papier abwendet. Und dann noch eins. Und dann noch eins. Und dann…

Ich wuchs mit Büchern auf. Mit Heften, mit Magazinen, mit altmodischen Fernsehserien, mit spartanischen Spielekonsolen, die nur 16 Farben und Pieps-Sound darstellen konnten und mich dennoch in eine faszinierende fremde Welt entführten. Ich wuchs in einer Zeit auf, in der sich die Medien Jahr um Jahr wandelten und es auch weiter tun werden. Regelmäßig meine Gee als gedruckte Ausgabe zu erhalten, gab mir aber immer aufs Neue das Gefühl, das sich nicht ALLES ändert. Dass es andere wie mich gibt, die sich dem Rausch und dem Gefühl neuer Medien hingeben können, ohne dabei die Wurzeln zu vergessen und sich hin und wieder etwas melancholisch an die guten alten Zeiten zu erinnern. Die Gee gab mir stets das Gefühl, kein Kind mehr zu sein. Jetzt gibt sie mir das Gefühl, wie ein reaktionärer alter Sack zu klingen. Danke Gee.

Kommentare

  1. Wie im Text bereits gesagt, bin ich der letzte, der sich gegen ein iPad wehren würde. Und hätte ich eins, würde ich natürlich auch die Gee wieder lesen. Aber hätte hätte liegt im Bette.

  2. Der ExKollege

    Auch ich werde wohl unstellen. Mein Wochenzeitungs-Printabo habe ich bereits zugunsten des preiswerteren Online-Abos gekündigt. So kann ich mir evtl. die Anschaffung eines iPads schönrechnen ;-)

    Und es gibt sie, die Lücke zwischen PC/Notebook und Handy. Vieles würde ich unterwegs oder eben auf dem Sofa in größer haben, ohne
    Jedesmal ein Notebook rumschleppen zu müssen.

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