Ein Mensch kann von Glück sprechen, wenn er die Chance erhält, sich beruflich nach seinen Wünschen entfalten zu können. Ein Mensch kann von großem Glück sprechen, wenn er das zweimal in seinem Leben kann. Ich darf mich zu diesen glücklichen Menschen zählen. Konnte ich zuerst meinen Kindheitstraum wahr werden lassen und Lokführer werden, so bekam ich vor knapp zwei Jahren die Chance, eine andere Leidenschaft zum Beruf zu machen. Und seit diesem Monat darf ich mich, nach bestandener Prüfung, auch offiziell „zertifizierter User Experience Professional“ nennen.
Nun werden sich einige fragen, was ein User Experience Professional überhaupt ist. Vielleicht stellt sich zuvor noch die Frage, was User Experience eigentlich bedeutet. Das International Usability and UX Qualification Board (UXQB) definiert User Experience so:
Ein User Experience Professional ist nach dieser Definition ein Fachmann (oder natürlich auch Fachfrau), der den Prozess menschenzentrierter Gestaltung plant und managt, den Nutzungskontext beschreibt, Nutzungsanforderungen ableitet, die Interaktion zwischen Mensch und interaktiven System definiert und konzipiert, das User Interface entwirft und Evaluierungen durchführt. Vereinfacht gesagt, ist die Aufgabe des UX Professional die Anforderungen von Benutzern zu verstehen und diese in entsprechenden Bedienoberflächen abzubilden, so dass die Benutzer ihre Anforderungen befriedigen können und ihre Ziele mit dem System erreichen. Das ist aber extrem stark herunter gebrochen und sagt nur einen Teil dessen aus, was ein UX Professional macht. Versuchen wir es mal so:
Wer von meinen werten Lesern hatte je bei Benutzung eines Systems das Gefühl, nicht zu wissen, was eigentlich zu tun ist? Wer hatte je Angst, etwas falsch zu machen? Wer hatte je Fehlermeldungen, die nicht weiter halfen? Wer gab schon einmal einfach auf? Wer hatte ganz bestimmte Erwartungen an ein System, die nicht erfüllt wurden? Wer fühlte sich je verloren und auch nach vermeintlich erfolgreicher Bedienung noch immer unwohl und unsicher? Jeder, der diese Gefühle kennt, hatte mit schlechter User Experience zu tun. Und mein Job ist es, dies zu verhindern.
Meine Aufgabe und meine Berufung ist es, interaktive Systeme menschenzentriert und menschenwürdig zu gestalten. Der Mensch als Anwender steht immer im Mittelpunkt unserer Arbeit.
Die Arbeit als User Experience Professional ist wahnsinnig spannend und vielfältig und ich bin froh, dies in einem tollen Team in meiner Firma ausüben zu können. Jeden Tag lernt man etwas Neues dazu und – wie so oft bei Experten – man betrachtet die Welt plötzlich mit anderen Augen. Jedes Usability Problem, jede schlechte User Experience wird sofort analysiert und nach möglichen Lösungen gesucht. Es ist verblüffend, wie fern von menschentauglicher Gestaltung interaktive Systeme noch immer sind. An der Schwelle zum Jahr 2020.
Eins meiner Lieblingsbeispiele, wenn ich versuche zu erklären, was schlechte User Experience ist, beziehungsweise, wie schlechtes Design Menschen behindert, sind die so genannten Norman Doors. Benannt nach Don Norman, Mitbegründer der Nielsen Norman Group und Verfasser des sehr lesenswerten Buches „The design of everyday things“. Norman beschreibt dort, wie schwierig es offenbar sein muss, Türen so gestalten, dass deren Nutzung intuitiv klar wird. Sobald es notwendig ist, ein „Ziehen“ oder „Drücken“ Schild an die Tür zu kleben, hat ein „Tür-Designer“ versagt. Wenn Sie je an einer Tür standen und nicht wussten, ob sie drücken oder ziehen sollen, ob die Tür nach links oder nach rechts aufschwingt, ob sie offen oder verschlossen ist oder ob es evtl. gar eine Schiebetür ist, so hatten Sie es mit schlechter User Experience zu tun.
Und was wäre das Positiv Beispiel? Eine Tür, bei der Sie gar nicht überlegen müssen. Deren Gestaltung Ihnen offensichtlich anzeigt, an welcher Stelle welche Aktion durchzuführen ist und die Tür gemäß dieser Erwartung auch funktioniert.
Im Dezember 2019 erwarb ich das CPUX-F Zertifikat (Certified Professional for Usability and User Experience – Foundation Level) und ich gedenke, darauf weiter aufzubauen. Ich kann mich glücklich schätzen, in diesem Metier zu arbeiten, eine etwas bessere Welt zu schaffen und Systeme zu entwickeln, die jeder Mensch einfach und gut bedienen kann. Und die Benutzern ein gutes Gefühl gibt, wenn sie damit genau das erreichen, was sie erreichen wollten.
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