„In a time…“ als das Internet noch cool und lustig war und kein Sumpf aus Hass und Lügen, bot Apple eine eigene Filmtrailerseite an. Ja, es gab sogar eine App dafür. Denn damals gab es für alles eine App. Für mich als Filmnerd war diese Trailerseite die erste Anlaufstelle, um etwas über Filme zu erfahren, über die in Deutschland noch nicht einmal gesprochen wurde. Und damals hat das Trailer gucken auch noch Spaß gemacht. Nicht so heute.
Heutige Filmtrailer sind mit einigen Mängeln behaftet, die es einem Filmfan wirklich schwer machen, sie sich anzuschauen. Heutige Trailer spoilern viel zu sehr. Statt neugierig zu machen und Lust zu wecken, packen heutige Trailer alles hinein, was der Film zu bieten hat. Die besten Gags, die besten Effekte, die besten Szenen, alle Protagonisten und Antihelden und gerne auch die komplette Auflösung. In der Regel zeigen zweiminütige Trailer eine Zusammenfassung der ersten beiden Akte eines Films. Die wirklich schlechten Trailer zeigen auch den dritten Akt.
Heutige Filmtrailer scheinen immer nach dem gleichen Schema aufgebaut zu sein. Trailer zu machen ist oder war eine Kunst. Ausgewählte Regisseure und Cutter sorgten für das perfekte Zusammenspiel von Bild und Ton, von Tempo und Spannung. Heute bedienen sich alle Trailer der gleichen Elemente: der leisen Klavierklänge zu Beginn, der schnellen Stakkato-Schnitte, der Fades to Black, der Stille vor dem großen Knall, des Jump-Scare-Moments, des 80er-Jahre-Kult-Songs als ruhige Folk-Version in Moll und der bereits erwähnten Aneinanderreihung aller, wirklich aller Best-Of-Momente, die der Film zu bieten hat. Trailer (und auch manche Filme) wirken, als wären sie von einer KI produziert worden, die gelernt hat, wie Trailer zu funktionieren haben, und die immer wieder ihre eigenen Kreationen als Datenbasis verwendet. Es mag an meinem Alter liegen, aber ich feiere Filmstudios wie z.B. A24 nicht nur für ihre mutigen und innovativen Filme, sondern auch für ihre kreativen Trailer, die sich meist gegen den Trend stellen und wirklich Neues wagen.
Noch frecher ist die Tatsache, dass heutige Trailer schlicht lügen und einen anderen Film „verkaufen“, also beispielsweise durch die Art des Tempos und Auswahl der Musik eine Komödie andeuten, die der eigentliche Film gar nicht ist. Gerne werden auch Szenen gezeigt, die im fertigen Film gar nicht enthalten sind. Trailer werden schon sehr früh in der Produktion und teilweise noch mit Rohmaterial erstellt, weshalb die Endfassung des Films meist noch massive Schnitte durchleben musste. Das kann man niemandem vorwerfen. Mittlerweile werden die Lügen aber bewusst als Verkaufsargument benutzt. Und so wie in der Waschmittelwerbung Hemden stets gebügelt und gestärkt aus der Maschine gezogen werden, deuten heutige Trailer gerne Szenen, Momente oder Personen an, die das Publikum locken sollen und im Kino schließlich nicht oder zumindest in anderer Form zu sehen sind.
Und sprechen wir bitte einmal über die Trailer-Trailer. Diese kleinen, sekundenlangen TikTok-Schnipsel vor den heutigen Trailern auf YouTube mit dem Hinweis, dass der Trailer jetzt beginnt. Brauchen zwei- bis dreiminütige Trailer wirklich einen Trailer davor? Weil das Publikum von den 4 Sekunden und den Effekten darin abhängig macht, ob es sich überhaupt lohnt, weitere 2 bis 3 Minuten in den Trailer zu investieren? Ist unsere Aufmerksamkeitsspanne schon so abgestumpft? (Wenn ich meine Mitmenschen im Kino beobachte, die es keine 10 Minuten aushalten, ohne auf ihr Handy zu schauen, scheint es tatsächlich so zu sein).
Aber jetzt zu meinem persönlich größten Ärgernis an den heutigen Trailern. Es gehört zwar auch zum immer gleichen Schema, sticht aber so unangenehm hervor, dass ich darauf besonders eingehen möchte. Die Perkussion. Die Unsitte, wirklich jedes unbedeutende Ereignis in einem Trailer mit einem epischen Knalleffekt zu untermalen. Ja, Baby. Woooshes! Hits! Downers! Risers! Epic! F*cking!! Sounds! So oder so ähnlich klingen heutige Trailer: Bam, bam, bam bam, bam bam bam, ba ba ba bam! BAM! BAM!!! Ständig, unaufhörlich und meistens unpassend.
Stellen wir uns mal die Frage, warum das überhaupt gemacht wird. Um Emotionen zu erzeugen. Weil derartige Schlagzeuge etwas in uns wecken, uns aufrütteln und natürlich Spannung und Aufregung erzeugen. Gezielt eingesetzt können diese Effekte eine Szene unterstützen, den Schockeffekt verstärken. In aktuellen Trailern werden sie jedoch in einem Ausmaß eingesetzt, das seinesgleichen sucht. Der Held schmiert sich ein Sandwich. Bumm. Butter aufs Brot. Woosh. Salami aufs Brot. Bumm. Käse drauf. Bam! Riser! Ketchup. Bababababa… und die zweite Schicht Brot drauf… Bämm bämm. Krach. Alles episch. Im Übermaß. 3 Minuten lang, jede Bewegung ein epischer, heroischer Moment. Es muss krachen!
Puh, erst mal runterkommen. Wisst ihr, alle wollen wie Superman sein. Aber wenn alle super sind, wisst ihr, was dann passiert? Dann ist niemand mehr super. Und wenn in einem Trailer alles episch ist, dann ist nichts mehr episch. Alles versinkt im immer gleichen Perkussionsbrei, weckt keine Emotionen mehr und ist auch nicht mehr steigerungsfähig. Die einzige Steigerung, die am Ende bleibt, ist nur noch die Ruhe. Und ich hoffe, dass die Filmindustrie bald wieder dazu zurückfindet, Aufmerksamkeit durch Stille zu erzeugen. Wann schauen wir von unseren Handys auf? Wenn der Lärm noch lauter wird oder wenn es plötzlich still wird?
In diesem Video wird das Prinzip der Trailer Percussions sehr anschaulich und Schritt für Schritt erklärt. Hört euch das Ergebnis ab Minute 8:11 an und fragt euch, ob wirklich jeder Trailer so klingen muss.
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