DamalsTM, als ich noch jung war, erlaubte Twitter nur 140 Zeichen für einen Tweet. Weniger als eine handelsübliche SMS. 140 Zeichen reichten aus, um witzige, informative und kluge Tweets zu kreieren. Mehr noch, 140 Zeichen zwangen dazu, nicht nur witzig, informativ und klug zu sein, sondern vor allem kreativ. Wie schafft man es, mit so wenig Platz maximale Aussage zu tätigen? Wie bringt man Kommunikation auf den Punkt? Wie begeistert man mit einer derartigen Restriktion?
Indem man beherzigt, was jeder gute Designer weiß: Design ist nicht das Hinzufügen von Dingen, sondern das Weglassen. Je größer der Wille, etwas einfaches, klares, reduziertes zu erstellen, desto stärker die Kreativität. Oder, wenn es nicht der Wille ist, dann ist es die Restriktion. Wie hole ich das Maximum an Kreativität in einer Umgebung heraus, die nur begrenzte Mittel zur Verfügung stellt? Zu wenig Platz, zu wenig Farbe, zu wenig Pinsel, zu wenig Seiten, von allem zu wenig. Außer vom Willen, dennoch kreativ zu sein.
Ähnliches wird sich der Designer, Künstler und Illustrator Chris Silverman gedacht haben, als er vor Jahren damit begann, Kunst in der Notizen App auf seinem iPhone zu erstellen. Die von Apple vorinstallierte App ist perfekt für schnelle Notizen geeignet, kann mittlerweile scannen und mit Dokumenten umgehen. Außerdem beherrscht sie die Möglichkeit, mit wenigen Zeichenwerkzeugen wie Bleistift, Filzstift, Marker, Radierer zu skribbeln, also kleine Grafiken zu malen, einzukreisen, zu unterstreichen. Die Notes App ist weit davon entfernt, ein Grafikprogramm zu sein. Das will und muss sie auch nicht. Doch genau das reizte Silvermann.
Die reduzierte Auswahl und die Einfachheit der Zeichenwerkzeuge ermöglichen es ihm, sich seiner Kunst kreativ zu nähern. Und sich dadurch eher auf das Werk selbst, als auf die Tools und Hilfsmittel zu konzentrieren. Und die Ergebnisse sind bemerkenswert, wie in der Galerie auf der Seite Notes Art zu sehen ist. Silverman scheint derzeit täglich eine neue Illustration zu erstellen. Wie viel Aufwand tatsächlich dahinter steckt, zeigt er in einem Video, dessen Betrachtung ähnlich meditativ ist wie ein Kärcher-Video.
Restriktion sind meist Treiber der Kreativität. Kreativität ist nicht nur das Ergebnis, sondern wie man mit dem Mangel umgeht und das Beste herausholt. Das ist die hohe Kunst. Auch als UX Designer fehlt es meist an allem: An Zeit, Budget, Anwendern, Testpersonen etc. Doch genau diese Restriktionen kitzeln die Kreativität und lassen das final Erreichte dadurch umso mehr erstrahlen.
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