Oh ja, es ist wirklich beinahe lächerlich, wie mich das Ende einer Serie so fertig machen kann. Nachdem ich gestern die letzte Folge von Six Feet Under gesehen hatte, war mit mir den restlichen Abend nichts mehr anzufangen. Ständig den Song „Breathe me“ von Sia im Kopf und die letzten Bilder dieser Abschlußsequenz vor Augen, fragte ich mich, woher das eigentlich kommt. Schließlich weiß ich ja, dass alles nur Fiktion ist. Dass die ganze Serie nur produziert wurde, um Geld zu verdienen und alles Marktwirtschaftliche Hintergründe hat (obwohl man dem produzierenden PayTV-Sender HBO tatsächlich noch etwas wie Kreativität zutrauen kann). Wieso also tut dieses Ende weh?
Nun, zunächst muss ich mir einfach eingestehen, dass ich Abschiede hasse. Egal welcher Art. Ich trenne mich nur äußerst ungern. Von Menschen, Dingen, Erinnerungen. Und eben auch von so abstrakten Sachen wie dem Inhalt von Serien, Filmen und Büchern. Das liegt ganz einfach daran, dass einige Inhalte es schaffen, mich emotional zu packen, mich gefangen zu nehmen. Ich möchte es ungern als Sucht bezeichnen, denn das ist es eigentlich nicht. Ich komme auch sehr gut ohne klar und natürlich ist das Ende einer Serie kein Beinbruch. Mein Leben wird natürlich weitergehen.
Bei Serien, die einen gepackt haben ist es nun mal so, dass man sich mit den Figuren und den Geschichten über Jahre hinweg auseinander setzt. Man erlebt alles, was ihnen zustößt, ist gespannt, freut sich und leidet mit ihnen. Das Fiktive rückt für eine Stunde in den Hintergrund, die Tatsache, dass dies eine einseitige, unwahre Beziehung ist wird für einen Moment bedeutungslos. Diese Figuren erscheinen real und es fühlt sich an, als würden wir Freunde treffen. Man sieht wie sie sich entwickeln, man spricht mit anderen über sie, man erwischt sich sogar dabei über sie nachzudenken. Und sich zu fragen, ob es ein gutes Ende nehmen wird.
Dann kommt das Ende, die letzte Folge, in der man sich verabschieden muss. Nie wieder von ihnen hören wird. So dumm das nun alles klingen mag, bei entsprechender Dramaturgie, den passenden Charakteren und interessanten Geschichten kann man sich kaum dagegen wehren, sich hingezogen zu fühlen. Und sich verletzt zu fühlen, wenn sie gehen.
Dabei ist es für mich unerheblich, ob die Serie ein glückliches oder trauriges Ende nimmt. Der Abschied ist immer ein Abschied. Als Frasier sich entschloß seiner Liebe zu folgen und sich ein letztes Mal in der nun leeren Wohnung umsah, in der ich ebenfalls irgendwie zehn Jahre Gast gewesen war, wurde es mir schwer ums Herz. Aber auch als Carrie glücklich mit ihrem Big telefonierend in der Masse verschwand, war ich irgendwie traurig. Als Ally McBeal die Stadt verließ und all ihre Freunde auf der Straße standen um sich zu verabschieden, musste ich eine Träne unterdrücken, obwohl es letztendlich an der Zeit war, die Serie zu beenden. Aber ein Abschied ist immer ein Abschied.
Ich kenne diesen Effekt auch von manchen Büchern. Auch hier ist man länger als nur ein paar Stunden mit der Geschichte beschäftigt und erfährt im Vergleich zu anderen Medien ungleich mehr über die Gedanken und Gefühle der Figuren. Die Beziehung wird noch etwas enger. So, als würde man der Geschichte eines guten Freundes lauschen. Manch ein Buch klappte ich zu und wünschte, ich hätte nie die letzte Seite erreicht.
Bei Filmen passiert das eher selten. Zwei Stunden reichen nun mal nicht aus, um so eine tiefe Beziehung mit den Figuren aufzubauen. Zumindest in den seltensten Fällen. Filmen, denen das gelingt sind die Kleinode, die ich mir aus diesem Grund auch immer wieder anschauen möchte.
Ich werde mir auch Six Feet Under wieder anschauen. Mit allen Folgen, allen Figuren, allen Dramen. Und werde wieder heulen, wenn ich am Schluß angelangt bin. An der Szene, die in einer Retrospektive die zukünftigen Geschehnisse aller Charaktere umreißt und jede einzelne immer mit dem Tod endet. So lange haben sich nach Glück gesucht in ihrem Leben, haben es schließlich gefunden, es für einen kurzen Moment genossen und sind am Ende doch dazu verdammt, zu sterben. Was bleibt ist Trauer, Schmerz und Tod.
Eigentlich so wie im echten Leben. Streben wir nicht auch stetig nach dem Glück? Wohl wissend aber gekonnt ignorierend, dass es früher oder später mit uns zu Ende geht? Und das der unweigerliche Abschied naht?
Manchmal stelle ich mir vor, der Star meiner eigenen Fernsehserie zu sein. Alles Roger – eine tägliche, dramatische, spannende, reale, lustige, traurige Fernsehserie. Sie hat ihre üblichen Locations, ihre immer wieder kehrenden Figuren und immer wieder einige Gaststars, die nur für ein paar Folgen erscheinen. Sie ist in Staffeln, also Abschnitte unterteilt und ständig passiert etwas Neues. Oder auch nicht. Würde man sie aber jede Woche auf 45 Minuten schrumpfen, käme vielleicht etwas dabei heraus. Und die Serie läuft und läuft, solange der Hauptdarsteller weiter seiner Suche nach dem Glück nachgeht.
Vielleicht findet er es irgendwann. Eine Fernsehserie würde hier enden. Das Leben nicht. Und falls doch, so war es zumindest ein glückliches Ende. Aber ein verdammter Abschied wäre es doch.
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