Ich, weiß, ich schulde euch noch einen Artikel, wie es dazu kommen konnte, dass ich für 90 Sekunden im Fernsehen war. Ich habe lange selbst mit mir gerungen, wie ich diesen Artikel schreiben sollte, denn viel gab es dazu ja nicht zu sagen. Mittlerweile hat sich das geändert.
Die Frage „Komm ich jetzt ins Fernsehen?“ kennt der eine oder andere vielleicht noch aus der Sat1 Wochenshow, in der Herr Görgens mit sinnlosen Erfindungen versuchte, berühmt zu werden. Er schaffte es nie. Und irgendwie doch.
Wenn man als Blogger tätig ist, denkt man erstmal nicht daran, damit berühmt zu werden (und/oder Geld damit zu verdienen). Hin und wieder schielt man vielleicht herüber zu den etwas berühmteren Bloggern, die wichtige Dinge von sich geben, die von wichtigen anderen Medien aufgegriffen werden, doch im ersten Moment ist einem das egal. Man bloggt nur, weil man der Welt etwas mitteilen möchte. Man bloggt um des bloggens Willen. Und nimmt damit (wissentlich oder auch nicht) ebenso aktiv an der Medienlandschaft teil, wie Print, Funk und Fernsehen.
Hin und wieder kann es nun passieren, dass die Wege in der Medienlandschaft sich kreuzen. Man hat einen Bericht geschrieben, für den sich die örtliche Presse interessiert? Man hat ein Foto online gestellt, das ein Verlag gerne nutzen würde? Man hat sich mit seinen Artikeln als Profi hervorgetan, der sein Wissen im Fernsehen mitteilen soll? Die Möglichkeiten sind mannigfaltig, lassen sich kaum erzwingen und nur schwer steuern. Was aber egal ist, da die große Mehrzahl der Blogger meiner Ansicht nach ohnehin nicht nur aus dem Grund bloggen, um ins Fernsehen zu kommen.
Als mich vor mittlerweile über einem Jahr unsere Lokalzeitung anschrieb und um ein Interview bat, war ich entsprechend überrascht. Und, ich gebe es zu, ich fühlte mich geehrt. War diese Anfrage doch ein kleiner Beweis für mich, in der Welt wahrgenommen zu werden. Nicht nur von Freunden, Bekannten und Menschen, die zufällig per Google einen Artikel von mir finden. (Wobei der Journalist damals natürlich auch nur per Zufall bei seiner Recherche über mein Blog stolperte) Nein, offenbar gefiel meine Meinung auch jemandem, der so etwas professionell macht, der damit sein Geld verdient und der der Meinung war, dass ich geeignet sei, meine Meinung einem etwas breiteren Publikum mitzuteilen.
Das breite Publikum war wie gesagt eine Lokalzeitung, der Artikel ist mittlerweile vergessen und verstaubt in einem Archiv. Natürlich bin ich kein Star, natürlich war es ein Einzelfall, von den mir versprochenen 15 Minuten Ruhm hatte ich vielleicht ein paar Sekunden bekommen. Ich kenne auch Blogger, für die das normal ist. Die beinahe täglich von Magazinen oder Sendungen angefragt werden. Ich bloggte einfach weiter.
Bis dann plötzlich doch das Fernsehen vor der Tür stand. Oder zumindest in meinem Postfach lag. Ein Redakteur der 3sat Sendung „neues“ recherchierte für einen Beitrag, in dem Firmen-Images beleuchtet und „Glaubenskriege“ aufgedeckt werden sollten. Weshalb Apple einen besseren Ruf hat als Microsoft. Und weshalb die Playstation-, Xbox- und Wii-Fans sich gegenseitig fertig machen. Da ich bereits mehr als einmal meinen Senf dazu in meinem Blog veröffentlicht hatte und dem Redakteur mein Stil wohl gefallen hatte, bat er um ein Interview.
Wow. Das Fernsehen will mich. Und dann auch noch 3sat. Nicht die Putzteufel von RTL2. Nein, 3sat, mit einer Sendung, wie sie ohnehin wie für mich gemacht worden zu sein schien. Ich fühlte mich geehrt. Schon wieder. Und sagte zu.
Schon wenige Tage später empfing ich den Redakteur bei mir zuhause. Wir unterhielten uns über das Thema, erörterten im Vorfeld, welche Fragen er mir stellen wollte und wir überlegten uns den besten Ort für das Interview. Der war schnell gefunden. Auf meinem Fernseher ließen wir Wii Tennis laufen, während ich mich etwas davor setzte. Er richtete seine Kamera ein, hielt mir irgendwann das Mikrofon vor und mein erster Satz war: „Ähh.“ Jegliche Eloquenz war von mir gewichen. Es war so peinlich. Und so typisch für jemanden, der noch nie vor laufender Kamera Fragen beantworten musste.
Das Interview dauert vermutlich eine gute Viertelstunde. Ich gab meine Meinung kund, weshalb es keinen sinn machte, dass Wii-Spieler und Playstation-Fans sich gegenseitig fertig machten. Ich erzählte, worin ich die Unterschiede zwischen Xbox360 und PS3 sah. Ich mutmaßte, wie Nintendo es geschafft hatte, sich ein so gutes Image zu zu legen. Dann machten wir uns noch den Spaß, ein wenig Wii Action zu filmen. Ich spielte Tennis, wie man das mit Wii Sports eben so macht. Im Großen und Ganzen waren wir eine Stunde beschäftigt.
Als ich zwei Wochen später vor dem Fernseher saß und „neues“ begann, spürte ich mein Herz klopfen. War das aufregend. Ich war im Fernsehen. Letztlich nur für etwa 90 Sekunden, die so schnell vorbei gingen, dass ich im ersten Moment nur baff war und zur damalige Freundinn an meiner Seite sagte: „Ich habe bloß gestottert.“
Meine 15 Minuten Ruhm hatten ein paar Sekunden dazu gewonnen. Und dann kam RTL und klopfte an meine Tür.
Wie manche von euch vielleicht wissen, schrieb ich vor einer halben Ewigkeit auch für das Freiburger Online Magazin fudder und steuerte damals einen Artikel bei, in dem ich von meinen Erfahrungen als Lokführer berichtete. Um genau zu sein, wie ich die Nachtschicht erlebte, als ich zum ersten Mal mit meinem Zug einen Menschen überfuhr. RTL plante eine Reportage über das Thema und fragte bei fudder an, ob man mit mir in Kontakt treten könne. Dann ging alles recht schnell. Schon am nächsten Tag telefonierte ich mit dem RTL Journalisten, erzählte nochmals meine Erlebnisse, beantwortete Fragen und muss dabei eine so gute Figur gemacht haben, dass er fragte, ob ich bereit wäre, damit auch in dem Beitrag aufzutreten.
Zugegeben, Medienschlampe die ich nun mal bin (haha), sagte ich zu. Zugegeben, es war RTL und nicht arte. Zugegeben, ich bin noch nicht abgebrüht genug, um solche Anfragen auch zu hinterfragen. Im ersten Moment war das alles nur aufregend. Wie zuvor auch schon hatte die Welt von mir Notiz genommen und wollte etwas von mir hören. So fühlte es sich zumindest an. Der Journalist besprach mit mir Ideen, wie wir das Interview gestalten könnten, wo ich mich mit seinem Kamerateam treffen sollte und was es hierfür vorzubereiten gäbe. Ein Termin war schnell gefunden.
Der Ball kam ins Rollen. RTL stellte Anfragen, checkte Locations und holte sich Genehmigungen ein. Bis dahin wohl nicht wissend, wie empfindlich die Bahn auf das Thema reagiert. Natürlich möchte die Bahn nicht mit dieser Problematik in Verbindung gebracht werden, auch wenn sie täglich auf Deutschlands Schienen Realität wird. Natürlich wird das Wort Suizid oder Selbstmord niemals kommuniziert, sondern stets von Personenunfällen gesprochen. Und letztlich möchte die Bahn natürlich auch vermeiden, dass es zum sogenannten Werther Effekt kommt (also das Menschen durch die Berichterstattung erst auf die Idee gebracht werden, sich auf der Schiene das Leben zu nehmen).
Vielleicht stellt sich jetzt der eine oder andere die Frage, weshalb ich dann als ehemaliger Lokführer so offen darüber spreche. Und so gewillt gewesen wäre, dies vor laufender RTL Kamera zu tun. Nun, mir liegt viel daran, ein wenig Aufklärung zu betreiben. Den Leuten klar zu machen, wie traumatisch das für einen Lokführer und die Rettungshelfer sein kann. Ich möchte auch an die Passagiere appellieren, die ich immer wieder verständnislos meckern höre, wenn ein Zug durch einen Personenunfall große Verspätung macht. Und ich möchte auch vor Dummheit warnen, denn Personenunfälle geschehen nicht nur aus Selbstmordgedanken, sondern auch aus schierer Blödheit. Kinder, die auf den Gleisen spielen, Erwachsene, die mal eben über das Gleis rennen wollen, um den Weg abzukürzen. Mein zweiter Personenunfall war ein Mann Mitte Dreißig, der nur noch schnell seine S-Bahn erwischen wollte und über die Gleise rannte, statt die Unterführung zu nehmen. Dass ich mit meinem IC mit 140 km/h um die Ecke kam, damit hatte er nicht gerechnet und bezahlte für diese Dummheit mit seinem Leben. Auch wenn man die Selbstmordrate auf den Schienen vielleicht nicht verkleinern kann, so will ich doch wenigstens versuchen, Unfälle aus purer Blödheit zu verhindern.
Letztlich musste ich das RTL Interview aber wieder absagen. Denn nicht nur, dass die Bahn eine Berichterstattung auf ihrem Gelände untersagte, sie informierte auch meinen derzeitigen Arbeitgeber darüber, dass ich vor hätte, ein Interview zu diesem Thema zu geben.Und mit einem Male machten sich beide sehr große Sorgen, was ich sagen würde und, vielleicht noch schlimmer, was RTL aus dem Gesagten letztlich machen würde. Im Grunde, so sicherte mir mein Arbeitgeber auch zu, hätte ich natürlich die Freiheit, das Interview zu geben. Niemand könne es mir verbieten. Allerdings musste ich bereits hier schon feststellen, dass einige Details falsch kommuniziert worden waren. Von wessen Seite, möchte ich nicht beurteilen. Und auf Details möchte ich ebenfalls nicht eingehen. Letztlich wurde mir mit einem Male flau im Magen und ich fürchtete, mich, meinen Arbeitgeber und meinen ehemaligen Arbeitgeber falsch dargestellt zu bekommen. Und damit noch weitaus größere Scherereien hervor zu rufen.
So komme ich also nicht erneut ins Fernsehen. Und habe eine wichtige Lektion gelernt. Alles, was ich hier scheibe, kommt an. Die Welt nimmt mich wahr, liest, speichert und verwertet, was ich hier tue. Ich muss mir bewusst sein, dass alles, was ich hier schreibe, Konsequenzen haben kann. Kleine oder Große. Vielleicht bereite ich jemandem eine kleine Freude, vielleicht trete ich aber auch jemandem auf den Schlips und muss meinen Anwalt einschalten. All das kann passieren.
Vielleicht wird wieder einmal eine Zeitung oder ein Fernsehsender anfragen, ob ich zu diesem oder jenem etwas sagen könnte. Und ich werde mich wieder geehrt fühlen. Aber auf jeden Fall auch für mich hinterfragen, ob ich es wirklich vertreten kann. Die Medienlandschaft ist ein Minenfeld, für das ich nicht trainiert und ausgebildet wurde. Ich bin ein kleiner Schrei(b)er am Rande des Feldes, der hin und wieder hinein gelockt wird und aufpassen muss, wohin er tritt.
Wahrscheinlich geht es noch lange, bis ich meine 15 Minuten voll habe.
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