Neulich hatte ich seit langer Zeit wieder eine Idee für eine Kurzgeschichte. Eine, wie ich fand, wunderbare kleine „Liebesgeschichte“, mit quasi-überraschendem Ende. Zunächst spukte nur die vage Vorstellung in meinem Kopf. Dann, eines Nachts, überkam mich die Inspiration und ich sah die Schlusssequenz vor meinem geistigen Auge. Auch meine bisherigen Geschichten und Romane schrieb ich immer auf diese Weise, als sähe ich einen Film und beschriebe nur das Geschehen auf der nicht-existenten Leinwand. Diese Sequenz, dieses Ende für die Geschichte, gab den Ausschlag. Ich wusste, wie die Handlung zu genau diesem Punkt kommen musste und fühlte mich freudig erregt. So schnell wie möglich wollte ich mich daran setzen, die Geschichte zu schreiben.
Doch dann kam das böse Erwachen. Genauso schnell wie die Idee scheinbar aus heiterem Himmel in meinem Kopf war, wurde sie durch einen weiteren Gedanken zerstört. Das Ende der Story entsprang nicht meiner Phantasie, sondern der eines anderen. Der daraus einen Film gemacht hatte. Den ich sehr mochte. Weshalb sich die dortige Schlusssequenz auch derart in mein Gehirn brannte.
Nicht zum ersten Mal passiert mir so etwas. Früher, als ich noch jung, unerfahren und wissbegierig war, hatte ich tausend Bilder im Kopf, Geschichten, Anekdoten. Ich kann mich erinnern, dass meine Gedanken zu sprudeln begannen vor lauter Eingebung und Phantasie. Das meiste davon floss in meine Playmobil- und Lego-Geschichten. Später, als ich das Schreiben für mich entdeckt hatte, fiel mir das Geschichten-Erfinden nicht mehr ganz so leicht. Ich war verseucht. Von zu vielen Comics. Zu vielen Büchern. Zu viel Fernsehen. Und zu vielen Filmen. Mit einem Mal schien alles bereits beschrieben, gezeichnet, gefilmt oder aufgezeichnet worden zu sein. Oder anders ausgedrückt: ich musste immer wieder feststellen, dass ich keine Inspiration, sondern nur Erinnerungen hatte.
Nun heißt es zwar, es gäbe in der gesamten Literatur ohnehin nur sieben (oder waren es zwölf?) grundsätzlich verschiedene Geschichten und alle Geschichten, die seitdem erzählt wurden, seien nur Variationen. So ist es nicht wirklich verwerflich mit ähnlichen Ideen um die Ecke zu kommen. Ein Freund sagte mir vor Jahren einmal: „Jede Geschichte ist schon mal erzählt worden. Es kommt nur noch darauf an, WIE du sie erzählst.“ Dem ist kaum zu widersprechen. Doch gibt es einen Unterschied zwischen „anders erzählen“ und „verändert kopieren“. In meinem Kopf schwirren zu viele Bilder, zu viele Erinnerungen, zu viele Szenen herum, als dass ich mir frei und phantasievoll neue ausdenken könnte. Neue Farben zu mischen ist schwer. Ich habe bereits jede Farbe gesehen.
Aber vielleicht mache ich mir auch nur wieder viel zu viele Gedanken. Vielleicht sollte ich die Geschichte so schreiben, wie ich sie erzählt haben wollte. Vielleicht gelingt es ja doch, nur durch die Art der Erzählung, andere Bilder im Kopf des Lesers zu erzeugen, als in meinem eigenen. Denn klar ist, dass ich nicht plötzlich damit aufhören kann, Geschichten, Bilder und Emotionen zu konsumieren. Wer würde das schon wollen. So entspringen meine Geschichten einer vereuchten Phantasie und können mit etwas Glück doch etwas Besonderes sein.
Schreibe einen Kommentar