Ghosting, als es Ghosting noch nicht gab

Unter Ghosting versteht man – in knappen Worten – den überraschenden und völligen Kontaktabbruch von Freunden oder Geliebten. Von heute auf morgen sind diese Menschen von der Bildfläche verschwunden, nicht mehr zu erreichen und quasi nur noch ein Geist. Der Begriff Ghosting existiert seit ca. 2015. Dass dieses Verhalten überhaupt zu einem Phänomen wurde, dem man einen Namen geben musste, dürfte vermutlich dem Internet, Social Media, Tinder und Co. und den ganzen Verlockungen, Ablenkungen und Möglichkeiten zu verdanken sein. Und der Tatsache, dass man, trotz ständiger Verfolg- und Erreichbarkeit genau dies bewusst unterbinden und verwehren möchte. Mir selbst ist dies erst vor kurzem mit „guten Freunden“ passiert. Eine Erklärung für das Ghosting blieb bis heute aus. Aber letztlich ist das ja genau das Prinzip.

Früher™ gab es sowas nicht. Oder etwa doch? Ich kann mich an einige Lieb- und Bekanntschaften erinnern, die irgendwann einfach nicht mehr da waren. Dabei handelte es sich meist um einen schleichenden und/oder nicht überraschenden Prozess. Man einigte sich im Stillen darauf, keinen Kontakt mehr zueinander zu pflegen. Selbst wenn es schmerzhaft war. Aber hat man im vergangenen Jahrhundert einfach kommentarlos und völlig willkürlich den Kontakt zu jemandem abgebrochen? Ohne als Entschuldigung wenigstens den Tod oder Schlimmeres anführen zu können?

Für mich hat Ghosting aber noch eine andere Bedeutung. So ist es mir unerklärlich, wie Menschen heutzutage einfach nirgendwo stattfinden können. Weder bei Google, Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest, Tumblr, Youtube, Xing, Linkedin oder wenigstens Etsy, dem Telefonbuch oder ebay auffindbar zu sein, ist einfach unglaublich. Entweder sind einige Menschen niemals online, oder wissen sich bestens zu verstecken.

Aus meiner Vergangenheit gibt es Menschen, über deren Leben ich gerne mehr wüsste. Egal aus welchen Gründen der Kontakt damals abgebrochen wurde, mittlerweile ist so viel Zeit vergangen, dass ich mir eine Kontaktaufnahme wünschen würde. Selbst wenn es nur eine Bestätigung für die damalige „Trennung“ wäre. Was ist aus diesen Menschen geworden, mit denen man tage- und nächtelang gelacht, geweint, gefeiert, getröstet, gefiebert und vielleicht auch gestritten hat? Mit denen man sehr lange sein Leben geteilt hat?

Und die andere Frage: Suchen sie mich hin und wieder? Ich bin nun wahrlich nicht schwer im Netz zu finden und war eine Zeitlang auf quasi jeder Social Media Plattform aktiv. Mittlerweile ist es ruhiger geworden und obwohl ein gleichnamiger Autor stets weit vor mir die Suchergebnisse blockiert, bedarf es nur weniger Minuten, alle meine Accounts zu finden. Inklusive diesem Blog. Suchen und lesen sie mich? Oder bin ich raus aus ihrem Leben, wie ein Geist, den man nie wieder in seinem Haus haben möchte?

Falls ihr das lest: Liebe Grüße. Ihr wisst, dass ich euch meine.

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