Vor kurzem schrieb mich ein Unbekannter in ICQ an und fragte, ob ich Interesse an seinen Amigas mitsamt Zubehör (Hardware, Spiele, Joysticks, Mäuse, Speichererweiterungen, Festplatten etc.) hätte. Er surfte durchs Netz auf der Suche nach Nostalgikern und Fans der alten Rechner und fand dabei mein Blog, in dem ich hin und wieder über den Amiga schrieb. Er wollte mir alles überlassen, wenn ich es selbst in Darmstadt abholen würde. Also machten wir uns einen schönen Tag, holten die Kisten ab und besuchten Heidelberg, da es direkt auf dem Weg lag.
Wieder zuhause, inspizierte ich den Inhalt der Kisten. Vorhanden war ein Amiga 2000 und ein 500er. Im Grunde interessierte mich an dem 2000er nur der Festplattencontroller, da ich auf die Festplatte meines 2000ers nicht mehr zugreifen konnte.Dort lagen alle meine Texte, alle Bilder und überhaupt alles, was ich in meinen Jugendjahren mit dem Rechner machte. Backups hatte ich natürlich keine. Leider, denn es stellte sich schnell heraus, dass meine Daten auf ewig verloren waren. Auch der ausgeschlachtete 2000er von Dirk war nicht mehr zu gebrauchen.
Der 500er sprang gar nicht erst an. Was nicht defekt war, war schmutzig, alt und von Nikotin vergilbt und verklebt. Bald erkannte ich, dass die vermeintliche Goldgrube nicht so ergiebig war, wie erhofft. Faszinierend waren lediglich die drei Boxen mit Original-Software und Original-Anleitung. Ja, ich seufzte hin und wieder und schwelgte in Erinnerungen. Manche Disk schob ich ins Laufwerk und stellte dabei folgendes fest:
- früher hatte man offenbar mehr Zeit und Geduld. Denn es dauerte eine Ewigkeit, bis die Programme und Spiele geladen waren.
- die grafischen Qualitäten sehen in meiner Erinnerung einfach besser aus. Kennt ihr das, wenn ihr etwas Großartiges aus eurer Kindheit in Erinnerung habt und es nun im Erwachsenen-Alter wieder seht, dass ihr dann eher enttäuscht seid? Kennt ihr diese romantische Verklärung, die unsere Vergangenheit weitaus strahlender erscheinen lässt, als sie es vermutlich war?
Da die meisten Sachen von Dirk nicht zu benutzen waren und ich auch die Hoffnung begraben musste, meine Festplatte wieder zum Laufen zu bringen, habe ich nun einen großen Stapel Schrott auf meinem Balkon stehen. Schrott, den es zu entsorgen gilt.
Ich möchte mich nicht beklagen, zumindest nicht über Dirks Geschenk. Was mich eher traurig macht, ist die Tatsache, dass ich meine alte Freundin wohl doch hinter mir gelassen habe. Keine Ahnung, warum ich dennoch so an ihr hänge. Ist es tatsächlich der Computer und seine wunderbare Technik? Oder ist es nur die schöne Erinnerung daran? Die Erinnerung an bessere Tage? Als „die Welt noch in Ordnung war“?
Vielleicht gibt es auch in eurem Leben etwas, woran ihr euch gern zurück erinnert. Euer erstes Auto, mit dem ihr so viel erlebt habt? Eure damaligen Lieblings-Comics oder Lieblings-TV-Serien. Und vielleicht stellt ihr heute ebenfalls fest, dass sie euch nicht mehr so verzaubern können, wie sie es damals taten. Vielleicht versteht ihr, warum ich mich fühle, als würde ich den Amiga zu Grabe tragen.
Es ist einfach nicht mehr meine Welt. Ich habe meinen eigenen Amiga 2000er ebenfalls zu dem Schrotthaufen gelegt. In meiner Kiste liegen jetzt noch ein Amiga 500, viele Disketten, ein Monitor und ein Joystick. Der alten Zeiten wegen. Der Karton wird wieder zugeklebt und im Keller verstaut. Vielleicht bekomme ich irgendwann erneut einen Flashback, denke daran, den Karton zu öffnen und einen Abend lang in Erinnerungen zu schwelgen.
Aber wohl eher werde ich meinem Emulator bemühen, mir zu zeigen, wie wunderbar die Zeit damals mit meiner Freundin war. Und wie lange diese Zeit schon hinter mir liegt.
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