Nanu, fragt sich manch einer womöglich. Da schreibt der Roger in letzter Zeit soviel über sein (ehemaliges) Leben als Lokführer. Versucht, ein wenig hinter die Kulissen des Eisenbahngeschäfts blicken zu lassen und wirbt für mehr Verständnis. Und nun, da die Lokführer in aller Munde und nicht mehr aus den Medien wegzudenken sind, kommt nichts mehr? Hat er denn keine Meinung zu dem ganzen Streik-Hickhack?
Doch, hat er. Eine eindeutige sogar. Völliger Blödsinn, was gerade in deutschen Landen so abgeht. Zugegeben, vieles über diesen versuchten Streik weiß auch ich nur aus den Nachrichten. Wirklich betroffen bin ich ja derzeit nicht mehr, da ich nicht bei der Deutschen Bahn angestellt bin. Aber tief in meinem Herzen bin und bleibe ich Lokführer und stehe daher auch hinter den Kollegen und unterstütze ihre Bemühungen. Dennoch kann ich leider nicht mit Insiderwissen dienen. Auch habe ich bis jetzt noch mit keinem meiner ehemaligen Kollegen gesprochen. Und selbst wenn, bekäme ich von jedem ohnehin nur seine persönliche Meinung.
Was also sind die Fakten? Ganz einfach. Die Lokführer wollen mehr Geld. 31% mehr. Das ist verdammt viel, so meint man. Vergleicht man allerdings die heutige Bezahlung deutscher Lokführer mit den ausländischen Kollegen, sind 31% schon gar nicht mehr so wild. Außerdem kam die Zahl 31 ja nur zustande, weil hier eine Lohnerhöhung auch dadurch errechnet wurde, indem man die immer häufiger wegfallenden Zulagen einbezog (die Lokführer-Bezahlung ohne Zulagen ist äußerst mager).
Der eigene Tarifvertrag? Nun, wäre praktisch, soll aber wohl nur eine kleine Zugabe sein, die die Gewerkschaft GDL gerne hätte. Fraglich, ob wirklich alle Lokführer auch Wert auf diesen legen.
Die Situation? Verfahren und mittlerweile lächerlich. Das vom Gesetz erlaubte Streikrecht wird hier mit Füßen getreten. Im Ernst, ich unterstütze jeden Streik, da ein Streik wohl in den wenigsten Fällen aus einem Affekt begonnen wird. Da brodelt etwas und dem Ärger wird früher oder später Luft gemacht. Natürlich ist ein Streik immer ärgerlich. Das soll er ja auch sein. Natürlich war es schlimm, als die Ärzte streikten. Oder die Telekom Mitarbeiter. Aber sie streikten aus gutem Grund. Nur den Lokführern kann man es offenbar verbieten.
Schlimm ist einfach, dass ab jetzt irgendjemand sein Gesicht verlieren wird, egal wie die Geschichte endet. Entweder macht sich die Bahn lächerlich, oder die Gewerkschaften mit den Lokführern oder gleich der ganze Staat.
Nachbarn wie Franzosen oder Italiener schmunzeln vermutlich oder schütteln den Kopf über die Geschehnisse dieser Tage. Denn in Frankreich und Italien gehört ein Streik einfach dazu. Dort streikt man, überspitzt gesagt, auch gerne mal nur um auf sich aufmerksam zu machen. Und mit Erfolg. Die beiden Länder wissen, was sie an ihrer Eisenbahn haben und behandeln die wichtigsten Mitglieder so gut wie möglich (oder werden dazu gezwungen).
Um es auf den Punkt zu bringen: im Vergleich zum Ausland und im Vergleich zu privaten Bahnen im Inland, in Anbetracht der Verantwortung und des Arbeitspensums, in Anbetracht der häufiger werdenden Streichungen von Zulagen und Beschneidungen ist es in meinen Augen mehr als gerechtfertigt, dass die Lokführer hier für mehr Gerechtigkeit und Geld plädieren. Da mag Deutschland nun so lange anderer Meinung sein wie es will, da mag die deutsche Wirtschaft noch so lange lamentieren, dass ein Streik Millionen kosten würde, da mögen Gerichte noch so lange versuchen wollen, die Streiks zu verbieten. Es ändert nichts an der Tatsache, dass der Streik gerechtfertigt ist.
Wie auch immer hoffe ich sehr, dass diese Geschichte in irgendeiner Form gut für die Lokführer ausgehen wird. Sehen wir es mal so: Die Aufregung und die Verbote sind doch immerhin ein Beweis dafür, dass sich Deutschland trotz ständigem Nörgelns wohl bewusst ist, was sie an ihrer Eisenbahn hat. So wie die Franzosen und die Italiener auch.
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